Lesestoff

Wolf Haas
Eigentum

Nur sparen, sparen, sparen, sagte die Mutter von Wolf Haas immer. Damit sie zum gewünschten Eigentum kommt. Nur schreiben, schreiben, schreiben, denkt sich ihr Sohn. Wenigstens ist dann das Buch sein Eigentum. Eine wunderbar beiläufig erzählte Geschichte, die von einem Ende handelt – und dabei so viel Wärme und Trost vermittelt.

Wolf Haas schreibt ein Buch über seine Mutter, eine Meisterin der rhetorischen Trias: Den ganzen Tag nur waschen putzen bügeln. Nichts wie kochen stricken nähen. Das ganze Leben Arbeit Arbeit Arbeit. Und sparen sparen sparen. Denn ein Eigentum, das hätte die Mutter von Wolf Haas gerne gehabt, weil sie das Schicksal, das ihrem Großvater widerfuhr, gutmachen wollte. Er hatte seinen alten Hof verkauft und den neuen Hof noch nicht bezahlt. Dann kam über Nacht die Inflation, sein Geld war nichts mehr wert und die Familie verlor ihr Eigentum. So kommt es, dass die Mutter von Wolf Haas ihrem Sohn bereits als Kleinkind lange Vorlesungen über die Geschichte der Inflation und die Entwicklung der Quadratmeterpreise hält. Er kann lange bevor er in die Schule kommt, das große Einmaleins. Sparphase, Zuteilungsphase, Darlehensphase hält er für einen Kinderreim. Doch die Quadratpreise steigen und seine Mutter kann nicht genug sparen. Kein Eigentum.


Manche Dinge muss man immer wieder erzählen.


Mit den Leuten hatte seine Mutter ebenfalls eine Rechnung offen. Darüber denkt Wolf Haas nach – drei Tage vor ihrem Tod, während er bei ihr ist und wartet. Über ihr Leben will er schreiben, aus einem inneren Zwang heraus, damit dieses Leben aus ihm draußen ist. In den wenigen Stunden, die bleiben, will er fertig sein. Da bleibt keine Zeit für Selbstzensur. Manchmal geht er aber spazieren und denkt über eine Poetikvorlesung nach. Er ärgert sich, dass er zugesagt hat, denn es fällt ihm nichts ein. Was ihm jedoch einfällt, ist, worum es in der Schriftstellerei geht: das ganze Leben nur schreiben schreiben schreiben. Nichts wie tippen tippen tippen die ganze Zeit. Aber dann steht dein Name auf dem Buch. Wie der Name auf einem Grab. Dann ist das Buch dein Eigentum. Während er geht oder mit seiner Mutter wartet, kommt ihm noch ein Gedanke: dass man manche Dinge immer wieder erzählen muss. Und dass mit jeder Wiederholung die Erzählung etwas weniger wahr wird.

Ich mag die Beiläufigkeit und Schnelligkeit dieses Buches – und wie präzise die Sprache trotzdem ist. Wolf Haas beutelt die Geschichte über seine Mutter regelrecht aus dem Ärmel – hinausschreiben will er sie und ist dabei wütend, ironisch, witzig, flapsig, zärtlich, pietätlos. Und mit dieser Wahrhaftigkeit vermittelt er Wärme, Trost und Liebe. Sehr schön!

Im Hanser Literaturverlag um € 22,70

Das Buch Eigentum von Wolf Haas
Wolf Haas beutelt die Geschichte über seine Mutter, die sich immer ein Eigentum gewünscht hatte und es nie erreichte, regelrecht aus dem Ärmel – wütend, ironisch, warmherzig, pietätlos, witzig und sprachlich ungemein präzise.