Lesestoff

Monique Roffey
Die Meerjungfrau von Black Conch

Eine Meerjungfrau? Oh ja, und was für eine! Aycayia wurde verflucht und schwimmt seit Jahrhunderten einsam durch das karibische Meer – bis sie von David Baptiste, einem Fischer, gerufen wird. Ihre Geschichte erzählt von Selbstbestimmung und Hingabe, Feminismus und Tradition, Mythos und Wahrheit und einer Liebe zwischen zwei Welten – in einem Wirbelsturm der Gefühle ganz ohne Kitsch.

Öffnet das Buch und kommt mit auf eine karibische Insel, umgeben von leuchtend türkisblauem Wasser, in dem sich mehr tummelt als ihr glauben wollt. Bei Tagesanbruch ist das Meer von Black Conch am schönsten. Völlig ruhig liegt es da, wie ein Spiegel unter dem Himmel. David Baptiste – ein junger Mann mit schönen Dreadlocks und flirty-flirty drauf – fährt mit dem Boot früh hinaus, weil er diese Stimmung liebt und sich einen guten Fang erhofft. Während er darauf wartet, dass die Sonne am Morgenhimmel erscheint und ein Fisch an seiner Angel zappelt, spielt er auf der Gitarre.


Es war, als hätte sie eine Tür
ins Universum geöffnet.


So macht er es auch an jenem Tag: Als die Sonne sacht-sacht aufsteigt und David Baptiste auf der Gitarre klimpert, beginnt das ruhige Meer sich zu bewegen. Plötzlich taucht ein Frauenkopf aus dem Wasser auf, er sieht ihre langen, taudicken Haare voller Seetang, ihre Schulten und einen erstaunten Blick. Da muss sich David Baptiste die Hand aufs Herz legen, weil es wild in der Brust herumspringt. Es gerät etwas in ihm in Brand – ein Teil, von dem er nicht mal gewusst hatte, dass es ihn gibt. Er spürt einen Schmerz zwischen den Rippen, Tränen laufen ihm über die Wangen und als er sich gefangen hat, versucht er, leis-leis die Meerjungfrau zu ihm zu locken. Doch sie verschwindet zwischen den türkisblauen Wellen und obwohl er stundenlang wartet, kommt sie nicht wieder. Erst in den nächsten Tagen, als David Baptiste wieder und wieder aufs Meer fährt und Lieder singt, taucht die Meerjungfrau auf. Sie hat ihn erwählt, einen einfachen Fischer.


Die Geschichte oder die Liebe –
eins von beiden muss siegen.


Die Meerfrau heißt Aycayia und war mal eine junge, schöne Frau in Menschengestalt. Doch weil ein Fluch auf ihr lastet, schwimmt sie seit Jahrhunderten im karibischen Meer. Ihr Volk, die Taino – die indigene Bevölkerung der karibischen Inseln –, gibt es längst nicht mehr. Und auch die Meerjungfrau droht als spektakulärer Fang zu enden, als sie amerikanische Touristen entdecken, fangen und an Land verschleppen wollen. David Baptiste kann sie im letzten Moment retten und versteckt sie in seinem Haus. Doch kann Aycayia so einfach Freiheit erlangen? Und wie löst sich ein Fluch auf?

Berührend, schön, weise: Die Geschichte von Aycayia manövriert sich – ohne Kitsch und trotzdem mit viel Herzenswärme – zwischen Mythos und Wahrheit, Feminismus und Tradition hindurch. Und sie erzählt in einer eigensinnigen Sprache von Selbstbestimmung, der Kolonialgeschichte karibischer Inseln und von der großen Frage nach Zugehörigkeit.

Im Tropen Verlag um € 22,90

Die Meerjungfrau von Black Conch
Die Geschichte von Aycayia, einer Meerjungfrau, manövriert sich – ganz ohne Kitsch – zwischen Mythos und Wahrheit, Feminismus und Tradition hindurch. Berührend, schön, weise!