Lesestoff

Ann Patchett. Die Taufe

Ein heißer Sommertag und eine große Flasche Gin. Wäre Bert Cousin nicht uneingeladen auf der Tauffeier von Franny Keating aufgetaucht, wäre nichts passiert.

Es sind die 1970er Jahre in Los Angeles und alles beginnt mit dem Duft von reifen Orangen: Fix Keating richtet gerade die Tauffeier für seine Tochter Franny aus, als plötzlich dieser hochgewachsene Mann in seinem Garten steht und ihm eine große Flasche Gin entgegenstreckt. Während Fix noch überlegt, wer Bert Cousin eigentlich eingeladen hat, kommt die Party schon in Gang. Seine Gäste holen die Orangen von den Bäumen, laufen in die Nachbarsgärten, holen noch mehr Orangen von den Bäumen – damit diese in der kleinen Küche von Fix und seiner Frau Beverly ausgepresst werden, um in den Gläsern mit Gin zu landen. Viele Gläser Gin später hat Beverly – eine unübersehbar schöne Frau in einem unübersehbar gelben Kleid – Bert Cousin geküsst – den Mann, der uneingeladen bei der Tauffeier ihrer Tochter auftauchte.


„Sie können doch noch etwas bleiben,
oder nicht?“


So werden an diesem heißen Sommertag, wegen einer Flasche Gin und dem Duft von reifen Orangen zwei Familien für immer miteinander verbunden. Denn Beverly und Bert verlieben sich ineinander, lassen sich scheiden, heiraten und ziehen nach Virginia. Dort verbringen ihre Kinder aus den ersten Ehen fortan ihre Sommerferien gemeinsam und schmieden über die Jahre ein untrennbares Bündnis: Da ist Holly, die älteste, die immer alles richtig machen will. Als nächstes Caroline, die es nicht erträgt, ohne ihren Vater Fix aufzuwachsen und ihrer Mutter das Leben zur Hölle macht. Der großspurige Calvin, dem alles schnell auf die Nerven geht – besonders sein kleiner Bruder Albie. Dazwischen ist Jeanette, die immer schweigt und zuschaut. Dann Albie – aufgekratzt und rebellisch, der irgendwann seine Schule anzünden wird. Und schließlich Franny, auf deren Tauffeier alles begann und die nicht weiß, was sie will und ein Studium beginnt und es wieder sein lässt und als Barkeeperin jobbt – und eines Abends sitzt er an ihrer Bar: dieser so berühmte Schriftsteller.


„Wieso müssen wir lügen?“


Wohin so etwas führt, kennt man ja: Franny wird die Geliebte von Leon Posen, der längst wieder mal einen Bestseller landen sollte und als sie ihm die Geschichte ihrer Familie erzählt, schreibt er sie auf: ein heißer Sommertag, ein ungeladener Gast, eine große Flasche Gin… Das Buch wird erfolgreich und nicht nur Frannys Geschwister lesen, was Leon Posen in seinem neuen Buch effektvoll in Szene setzt – nur dass es darin um ihr Leben geht. Da kippt alles, um sich ganz neu einzurenken. Denn so unerwartet an die Öffentlichkeit gezerrt, setzen sich die Geschwister endlich mit ihrer Geschichte, der Liebe, dem Verlust und der Hoffnung auseinander. Die größte Frage, die jedoch über allem steht, ist: Wem gehört diese Familiengeschichte? Und wer hat das Recht, sie zu erzählen?

Ruhe, Schönheit, Kraft, Verzweiflung, Wut, Verlust – in dieser Geschichte steckt das ganze Leben drinnen. Herzerwärmend und melancholisch, wunderbar und großartig von Ann Patchett erzählt.

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Die Taufe
In diesem Buch steckt das ganze Leben drinnen: herzerwärmend, melancholisch, wunderbar und großartig